Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes,
Welcher so weit geirrt, (…).
Vieler Menschen Städte gesehn, und Sitte gelernt hat,
Und auf dem Meere so viel unnennbare Leiden erduldet,
Seine Seele zu retten und seiner Freunde Zurückkunft.
(Zitat Odysseus 7.Jh v. Chr)
Die Reise hat begonnen, kreuz und quer über die amerikanischen Kontinente.
12 Flüge, 6 Länder.
Google maps
Der Start ist holprig und heiß. Will ich noch eine DVD für Byron brennen, dem ich in letzter Minute noch ein PromoVideo versprochen habe um besser Sponsoren zu finden. Die Zeit läuft, 14:45 und „noch 8 Minuten“ lese ich auf dem Bildschirm und „Abfahrt 15:00“ auf dem Ticket. 15:53 der Vorgang ist beendet, der Rechner wird einfach herunter gezwungen. Rucksack auf den Rücken und los. Keiner da der mich zur Bushaltestelle fahren kann, also laufen. Und ich mein LAUFEN! Unterwegs kommt mir doch Chris entgegen, und muss mich nochmals in den Arm nehmen. Wäre er doch nur 20min früher gekommen, hätte er mich locker fahren können. Aber er schenkt mir dein neues „JOEY.IT“ T-Shirt und lässt mich gehen. 15:05 an der Station, Bus hat Verspätung also noch Zeit zum verschnaufen.
Die Fahrt mit dem Bus hat was melancholisches, vorbei an all den bekannten Plätzen und Spots. Aber es fühlt sich gut an, der ersehnte Aufbruch ins neue Abendteuer.
Der Trip fängt also ganz gut an und mühelos verläuft die Fahrt nach Fortaleza. Am Bahnhof finde ich nach kurzer Orientierung einen verlassenen Counter mit 2 Bürosesseln und jeder Menge Steckdosen wo ich mich einquartiere. Immerhin muss ich jetzt 5 Stunden Nacht rum bringen. Erstmal Laptop angeschlossen und die letzten Videoaufnahmen analysiert, bei McDonalds vorbei und Abendbrot besorgt und dann Beine hoch und auf dem Bürostühlen schimmeln.
3:30 – Zeit zum einchecken. Jetzt hab ich die Tickets und eine Ticketnummer mit der ich kostenlos WLan nutzen kann. Also noch schnell ein paar Grüße nach Hause und ein paar Informationen über Costa Rica abrufen.
Umsteigen in Brasilia. Alles verläuft nach Plan. Keine Verspätung, kein vermisstes Gepäck. Als ich in Sao Paulo ankomme, wo ich 6 Stunden Aufenthalt habe, gibt es eine kleine Überraschung. Der nächste Flug startet um 18:50 in Sao Paulo Guarulhos. Gelandet bin ich aber in Sao Paulo Congonhas! Verdammt! Also Bus suchen und durch die halbe Stadt düsen.
Irgendwie hab ich Hunger. Suche mir also ein Restaurant, am besten eins mit selbst gebrautem Bier und bestell mir Tortellini. Dazu wird mir ein kleiner Schnaps gereicht. Mjam.
Als ich die Rechnung bekomme haut es mich aus den Socken, statt erwarteten 50 BRL muss ich 75 BRL blechen. (natürlich war der Schnaps nicht umsonst.) Ein bisschen angenervt geh ich zum Check in und reih mich ein.
„Haben sie eine Gelbfieber Impfung?“
„Klar, aber den Impfausweis hab ich gerade nicht dabei“.
„Dann haben wir ein Problem. Ich hol mal meinen Chef.“
Chef: „Ohne Zertifikat können Sie nicht nach Costa Rica.“
(Kurze Erklärung: man benötigt die Gelbfieber-Impfung nur, wenn man aus Südamerika oder südliches Afrika nach Costa Rica reist.)
Und hier fängt das Abendteuer an. Was tun?
Er schickt mich zu irgend einem „Saudi dos Portos“ (später finde ich raus, dass das die Gesundheitsbehörde für Auslandsreisen ist.)
Nebenbei ruf ich in Deutschland an und frag meinen Vater, ob er mir meinen Impfausweis scannen und mailen kann. „Hab ich gefunden, hast aber keine Gelbfieber-Impfung, hab da aber was gefälscht, versuch’s mal.“ ruft mein Vater mich zurück.
Nach ewigen Suchen finde ich das Gesundheitsbüro – zu. Also schnell zum Internetcafe und nach der Mail schauen. Hat Dad einfach sein Ausweis mit Gelbfieber Stempel über mein Ausweis gelegt, ziemlich billige Fälschung, aber Versuch macht kluch.
Der Mann am Schalter akzeptiert es nicht.
„Entweder Original oder kein Flug!“
„Aber dann muss ich mir ein neues Ticket kaufen.!?“
„Nein der Serviceschalter kann umbuchen.“
Ach du scheiße, was jetzt? Hier in Sao Paulo impfen lassen? Irgendwie muss ich doch nach Costa Rica. Spiel noch kurz mit dem Gedanken nur bis nach San Salvador zu fliegen und da dann mit Bus nach Nicaragua zu fahren. Aber nicht möglich sagt der Mann.
Am Schalter will man mein Ticket auf den nächsten freien Flug am Freitag den 11. (3 Tage später) umbuchen.
Irgendwie geht es aber nicht. „Ich kann ihr Ticket nicht umbuchen, irgendwie erkennt das System den Ticketcode nicht. Muss ihre Reiseagentur machen.“
(alle Dialoge in gebrochenem Englisch oder geholpertem Portugiesisch)
Ende der Geschichte: mein Flugzeug fliegt ohne mich.
Ach du Scheiße, hänge ich jetzt hier fest?? Ist mein Ticket jetzt aus dem Fenster geworfen? Komm ich überhaupt nach Mittelamerika?
Jetzt nur keine Panik! Chill! Ruhe bewahren und Situation analysieren! Jetzt ist es in Deutschland nach Mitternacht, da anzurufen bringt nix. Auch hier ist es zu spät um noch irgendwelche Botschaften oder ähnliches zu erreichen.
Als ich letztes Jahr mit Alex in Sao Paulo war habe ich Manu und Eduard kennen gelernt, mit etwas Glück kann ich die erreichen. Telefonnummer hab ich nicht, nur Facebook. Mal zum Internetcafe gehen.
Nachricht an Manu. Nachricht an Alex ob er Nummer hat. Nachricht nach Zuhause, dass ich im Arsch bin. Und Adresse der deutschen Botschaft und eines Hostess rausgesucht.
Was nun? Fühl mich wie betäubt, fast ohnmächtig.
Ich könnte jetzt in die Stadt und mir ein Hostel nehmen. Bleibe aber am Flughafen.
„Beschissener geht’s eh nicht mehr. Dann wenigstens Geld sparen. Muss eh erstmal das Ticket regeln und hier hab ich alles was ich erstmal brauche.“ Denk ich mir.
Machs mir auf dem Boden gemütlich. So gemütlich wie man es sich auf einem Betonboden machen kann und schau mir einen Film an.
Irgendwann klingelt das Telefon, ich nehme ab und dran ist Eduard.
„Are you OK? I got your message! I come and pick you up. Arrival – Sidewalk – 30 minutes!“
„I have a blue T-Shirt!“ konnte ich gerade noch sagen bevor mein Guthaben aufgebraucht war. (Roaming)
So wartete ich draussen mit neuer Hoffnung. „Eduard kennt sicher einen Arzt der mich impfen kann.“ Und so denke ich über meine Situation und die nächsten Schritte nach.
Als Eduard kommt und mich findet, geht’s mir schon um einiges besser. Ich erzähl ihm die ganze Story.
„OK und jetzt habe ich 4 Probleme:
1. Ich brauche ein Originaldokument das eine Gelbfiber Impfung bestätigt.“
„Morgen suchen wir einen Arzt der dich impft“
„2. ich brauche ein neues Ticket“
„Morgen rufst du per Skype bei der Agentur an, habe schnelles Internet.“
„3. Erst nach 10 Tagen ist die Impfung wirksam und man darf reisen.“ (hab ich nochmal im Internet nach gelesen)
„…“
„4. Mein Visum läuft am 11. (in 3 Tagen) ab.“
„Naja ich hab einen Bruder der ist Arzt, eventuell kann er das Datum zurück datieren.? Egal, erstmal trinken wir Bier und dann machen wir uns morgen einen Kopf.“
Glücklicher Weise ist Eduard gerade im Jobwechsel und hat etwas Zeit. Manu ist auf Konferenz und kommt erst am Donnerstag wieder.
Am nächsten Tag ruf ich in Berlin bei der Reiseagentur an: „Ja verstehe, kümmere mich darum, muss mit der Airline telefonieren, melde mich dann bei Ihnen.“
In der Zwischenzeit mache ich mich mit Eduard auf den Weg zu einem Arzt.
Erster Versuch: öffentlicher Allgemeinarzt: Zu lange Schlange.
2. Versuch: Privatpraxis für Augenoptik: … doofe Idee.
3. Versuch: Privatkrankenhaus: Chefarzt ist eine deutsche Einwanderin, sie übersetzt die gefälschte Kopie und schreibt eine Beglaubigung. „Man hilft doch gerne. Gute Reise!“
Licht am Ende des Tunnels!
Ich kann mein Glück nicht fassen und will zum Flughafen um zu versichern ob das reicht. Die Agentur hat sich immernochnicht gemeldet. Ich ruf nochmals an. „Ja, sehe das Problem, kümmere mich drum, ruf Sie zurück…“ Dann war Guthaben wieder alle.
Am Flughafen warte ich 2 Stunden bis die entsprechende Person am Schalter zu erreichen ist. Sie lässt mich jedoch wieder 2 Stunden warten. Schnauze voll! Ich geh zum Check-In und frag da. Man sagt mir wieder dass ich zum „Saudi dos Portos“ (Gesundheitsamt) gehen soll. Dort zeige ich meine Kopie und die Beglaubigung und man stellt mir prompt einen internationalen Impfausweis aus. KOSTENLOS! Ich werd nicht wieder. Zurück zum Schalter. „Ja jetzt können Sie fahren!“ Na Also!
Aber immer noch keine Nachricht von der Agentur. Melde mich per Mail bei meinen Eltern, die sollen da mal Druck machen. Fahr dann zurück in die Stadt zu Eduard.
Bekomm dann endlich die Nachricht von meinen Eltern dass das Ticket für den 11. gebucht ist.
JAWOLL! Die Reise kann weiter gehen. Mittlerweile freu ich mich sogar in Sao Paulo gelandet zu sein und Eduard und Manu wieder zu treffen.
Den nächsten Tag nutze ich ausgiebig um die Stadt zu erkunden. Zumindest den Teil den ich noch nicht kenne. Da der Flug schon um 7 Frühe geht, bleib ich nichtmehr bei Eduard oder im Hostel, sondern verbring die paar Stunden wieder am Flughafen. Dieser dämliche Flughafen!
Als ich einchecke, will ich es wissen. leg nur meinen Ausweis auf den Tisch und warte. Tatsächlich, diesmal werde ich NICHT nach Gelbfieber-Impfung gefragt! Alles pure Willkür! Denke ich.
Kurzer Aufenthalt in Lima. Von oben sieht die Stadt nicht so Abenteuerlich aus wie ich es mir vorgestellt hab, eher wie ein großer dreckiger Häuserhaufen. Aber die Anden die wir überfliegen nehmen mich in ihren Bann. So groß und zerklüftet, trocken und voller weißer Berggipfel. Hin und wieder erkennt man Strassen und kleine Dörfer.
Von hieraus geht’s nach San Salvador. Endlich sieht man Strände und Palmen. Ein großes Feuer bevor wir landen.
Umstieg in eine kleine Propellermaschine. Jeder Umstieg verläuft zügig und reibungslos. In der kleinen Maschine sitzen neben mir nur 6 weitere Gäste. Ein amerikanisches Pärchen, 2 Surfer, ein Einheimischer und eine Nonne. Fühl mich wie Indianer Jones der in eine entlegene Ecke der Erde reist um unentdeckte Ruinen zu erforschen.
In Liberia angekommen, wechsle ich Geld und frag nach einem Bus, welcher in dem Moment um die Ecke biegt. Ohne Probleme finde ich ein nettes Hostel und genieß mein erstes Costa Ricanisches Bier.
Ich denke noch einmal über die Erfahrung in Sao Paul nach.
Probleme und Abgründe können sich überall und jederzeit auftuen. Wenn man aber mit Gelassenheit und Zuversicht darauf zugeht, lösen sie sich meist wie von allein. Denke positiv, vielleicht hatte es einen tieferen Grund. So hab ich meine Freunde wieder sehen können und ein paar tolle Tage in der größten Stadt Südamerikas verbringen können.
in dem Moment, wo so etwas geschieht, ist man fassungslos, aber später, wenn man zurück denkt, machen solche kritischen Momente das große Abenteuer aus…..
Toller Bericht, ich hätte bestimmt drei graue Haare mehr bekommen…..
Helden werden nun mal nicht in der Regentonne geboren, hihihi. Gruß Dein Vater
Meiner das nenn ich leben… Absolut utopisch… Genauso scheint das Abenteuer zu funktionieren!!!!
Also lass dich nicht unterkriegen und geh weiter diesen wunderbaren Weg!!!!