nach einer nacht voller musik und tanz, lag ich noch etwas benommen im hochbett des hostels, als jemand reinkam und rief: „hat jemand die Favela Tour gebucht?“ Noch halb im Niemalsland schüttelte ich verneinend den kopf, schon den nächsten Traumtrip fixierend.
Als Bilder von „City of God“, „Sim Nombre“ & „Black Hawk down“ sich vor mir abspielten, sagte eine Stimme zu mir „Worauf wartest du?“
Ich sprang auf ohne darüber nachzudenken und fragte an der Rezeption ob noch ein Platz frei wäre.
So stieg ich mit verschwitztem Partyshirt, Kater und leerer Kamera (zuviel Bilder auf der Party gemacht) ins Auto auf dem Weg in den Slum.
Am Rande des Gettos stieg jeder auf ein Motorradtaxi und wurde genau ins Zentrum des Hexenkessels gebracht.
Man zeigte uns die Wohnungen, wir stiegen auf Dächer, probierten lokale Gerichte, sahen ein Müllkonzert und besuchten Graffiti Künstler.
Eigentlich sind die Favelas wie eigene kleine Stadte mit gewaltiger Wirtschaftskraft. Nur eins fehlt: Die Regierung, es gibt kein Ordnungsamt, keine Müllabfuhr oder sonstige Einrichtungen die die Infrastruktur regeln. Alles wird von den Einwohnern selbst übernommen. (macht sich besonders an dem Spinnennetz ähnlichem Kabelwirrwarr bemerkbar) Somit gibt es auch keine Steuereintreiber.
Die Situation in den Brasilianischen Slums hat sich in den letzten Jahren geändert. Es gibt weniger Waffen, Drogen und Bandenkriege, aber die Gesamtsituation ist nicht unbedingt besser geworden:
Ehemalige Spezialeinheiten aus Militär und Polizei haben mit der Unterstützung (und dem Geld) der Regierung eine Spezialpolizei gegründet, den BOPE, deren Ziel es ist die Slums zu „säubern“. Ohne irgendwelche Vorschriften drängen sie in die Bezirke und machen kurzen Prozess. Waffenhändler und Drogenbarone werden auswendig gemacht, durch Erpressung und Folter und einfach umgenietet. Ok mögen die auch verdient haben, könnte man rechtfertigen, aber darunter sind oft auch Unschuldige oder Kinder.
Ich hab mich mit einer einheimischen Jurastudentin unterhalten und erfahren, dass jeder bescheid weiß, aber die Regierung lieber die reichen Steuerzahler schützt als ungebildete Drogenabhängige. Man spricht den BOPE sogar bürokratische Freiheiten zu. Die Opfer müssen nicht groß dokumentiert werden, die Bäute wird zum großen Teil behalten (vermutlich auch unter korrupten Politikern aufgeteilt) und Durchsuchungserlaubnisse… ich glaube dieses Wort existiert dort garnicht.
Das Schlimmste wurde aber noch garnicht erwähnt. Die Juristin erzählte mir, daß die BOPE nun die Rolle der Regierung weiter übernimmt und die Kosten die durch diese Kriege entstehen sowie Strom und Wasserkosten von den Einwohnern der Slums eintreibt.
Waren die Ärmsten der Armen vorher schon arm dran, sind sie jetzt wohl richtig im Arsch.
Eine schlimme Situation von der berichtet wird. Die ich gern noch von offiziellen Quellen erfahren möchte, denn eins passt nicht so recht ins Bild: die Flachbildschirme in vielen Wohnungen und iPhones in den Händen der dreckigen Kinder.
Hier ein Artickel darüber.
Über das korrupte System, den Leiden in den Favelas und den BOPE in Rio de Janeiro erzählt der Spielfilm „Elite Squad – Im Sumpf der Korruption“ (2010)
Sehr zu empfehlen!